Carina Berndt: Von Menschen und Hunden

Einem Mischling werden die Ohren langgezogen, ein Pinscher liegt einvernehmlich schlummernd neben seinem Frauchen, Pudel, Dalmatiner und Mastiff werden präsentiert und die französische Bulldogge scheint die mürrische Ausstrahlung seines Frauchens noch zu verstärken.
Es heißt das Menschen, wenn ein Hund dabei ist, gleich menschlicher werden. Dies mag auch der Beweggrund der groß angelegten Fotostrecke eines Frauenmagazins gewesen zu sein, die als Vorlage für Sonja Behrens Arbeiten zu „Männer und Hunde“ gedient hat. Hollywoodstars ließen sich „ganz natürlich“ mit ihrem Haustier ablichten. Auch für die folgenden Serien „Frauen und Hunde“ und „Künstler und Hunde“ fanden sich in anderen Zeitschriften und im Internet weitere Motive.

Der exklusive Glanz der Magazinseiten oder die spiegelnde Bildschirmoberfläche bleiben in dem makellosen Glanz der Glasmalereien Sonja Behrens erhalten.
Es ist die besondere Materialität und die damit zusammenhängende Bearbeitung der Farbe, die Sonja Behrens Arbeiten so einzigartig machen. Die Künstlerin malt sowohl auf als auch hinter Glas. Während die Farben des Hintergrundes und die Binnenfarben der Figuren die Rückseite der Glasplatte bedecken, sind die Konturen und Schraffuren des Motivs in Schwarz auf die Glasplatte aufgetragen.

Hinterglasmalerei hat eine kunstgeschichtliche Tradition, die bis ins 12. Jahrhundert reicht. Um 1500 bis ins 18. Jahrhundert hatte die Hinterglasmalerei ihren Höhepunkt. Überwiegend Andachtsbilder, Kusstäfelchen (hinten mit Griff versehen, sodass den Geistlichen und dann auch allen Gläubigen vor der Kommunion die Darstellung zum Kuss dargereicht werden konnte) und Votivtafeln (auf Grund eines Gelübdes gestiftetes Bild als Dankesgabe für Errettung aus Not und Gefahr) wurden in dieser Technik hergestellt. Weit verbreitete graphische Kopien von Gemälden der berühmten Vorbilder wie Dürer und Raffael dienten den Malern als Vorlage. Die Radierung wurde hinter die zu bemalen-de Glasplatte gelegt und diente so als Kompositionsgrundlage. Die Schwierigkeit der Hinterglasmalerei in der Coloration besteht für den Künstler darin, das Bild in umgekehrter Reihenfolge aufbauen zu müssen. Der Malgrund ist zugleich die Sichtfläche, so dass die für den Betrachter oberste Farbschicht zuerst auf die Glasfläche aufgebracht werden muss.

Sonja Behrens benutzt nun keine graphischen Vorlagen, die Werke der Malerei kopieren – sie entscheidet sich für Partikel der heutigen Mediengesellschaft: Fotografien aus Hochglanzmagazinen oder Archivmaterial aus dem Internet, die Hollywoodschauspieler, Pop-stars und Künstler zeigen – mit ihren Hunden.
Wieso sollten die Stars und Sternchen sich auch nicht einreihen in die repräsentativen Portraits, die schon Herrschaften wie Kaiser Karl V. mit ihren liebsten Jagdhunden zeigten?

Hunde als Begleiter des Menschen, im Leben wie in der Kunst, haben eine lange Tradition. Schließlich währt die Beziehung zwischen Zwei- und Vierbeiner rund 12.000 Jahre. Inzwischen scheint es für uns ein menschliches Grundbedürfnis geworden zu sein, psy-chologische Eigenschaften und Charakterzüge des Herr- oder Frauchens im jeweiligen Hund entdecken zu wollen.
Haustiere als geliebte Familienmitglieder gewonnen seit dem 19. Jahrhundert und vor Allem im Verlauf des 20. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung. Der einstige Jagdbegleiter, Hüte- und Hofhund verlor im Zuge der Industrialisierungs- und Urbanisierungs-prozesse seine Aufgaben. Heute übernimmt der Vierbeiner emotional aufgeladene Funktionen als Kind- oder Freundesersatz, als Freizeitgestalter, Statussymbol oder modisches Accessoire im Miniformat.
Zu jeder Epoche diente der Hund als Emblem für den jeweiligen Zeitgeist. In der Iko-nographie gelten Hunde als Symbol für eheliche Treue. Sie können generell für das Gute stehen, für Gerechtigkeit, Glaube und christliches Streben – mit struppigem Fell und gefletschten Zähnen jedoch genauso gut für das Böse. In der Kunstgeschichte belebt er den Hintergrund, ist Statist in Jagdszenen, religiösen, mythologischen oder allegorischen Kompositionen oder steht repräsentativ an der Seite seines Herrchens auf deren Portraits.

Im Unterschied zu den Herrscherbildern der Renaissance geht es Sonja Behrens nicht um die exponierte Zurschaustellung von bestimmten Personen.
In ihren Werken steht weder der Mensch noch sein Hund im Mittelpunkt. Das anekdotisch verlockende Motiv kippt bei näherer Betrachtung ins Künstlerisch-Formale.
Vor allen in den quadratischen Werken wirken die Figuren wie Fußnoten ins Bild gesetzt – fast die Hälfte des Malgrundes bleibt der makellos strahlenden Farbfläche vorbehalten.
Ähnlich dem Goldgrund im Mittelalter oder der transzendentalen Wirkung der Farbflä-chenmalerei der Moderne entsteht ein immaterieller, ewiger Raum. Er wäre von äußerer Wirklichkeit losgelöst, wenn nicht die perfekte Makellosigkeit der Farbfläche von der schwarzen auf das Glas aufgetragenen Kontur, von dem weltlich-banalen Motiv gebrochen würde.
Haptisch reizvoll ahmt das Schwarz die Struktur des Fells der unterschiedlichen Hunde-rassen nach: lang herabhängend, gelockt, struppig, kurz oder gefleckt.
Und so sind es doch wieder die Hunde, die einen ironischen Kommentar zur Stilisierung abgeben. Tizian stellte dem herausgeputzten Edelmann Giovanni dell’Acquaviva einen wenig beeindruckten bodenständigen Labrador an die Seite und Velasquez zeigt im Vor-dergrund zu „Las Meninas“ einen dösenden Schäferhund-Mischling, den das Treiben bei Hofe völlig unberührt lässt. Rembrandt löst gar eine missliche Fußhaltung auf einem seiner Selbstportraits mit Turban damit, dass er eine Promenadenmischung vor seinen Fü-ßen platziert.

Die Spannungen in den Werken Sonja Behrens’ zwischen Motiv und Farbe gehen ein humoristisches Wechselspiel ein: überstrahlt die Farbpräsenz des Hintergrundes die scheinbare Makellosigkeit der Celebrities oder verleihen die Menschen und Hunde-Szenen der unantastbaren Farbfläche nicht etwas zutiefst Weltliches?

Die Wirkung beider Ebenen – Motiv und Farbe, Vorder- und Hintergrund, Weltliches und Transzendentales – kann nur in direktem Gegenüber zu den Arbeiten in ganzer Tragweite erlebt werden. Im Zeitalter der virtuellen Bilder, der schnellen und nahezu uneingeschränkten Verfügbarkeit von visuellem Material eine angenehme Verlangsamung und Konzentration auf das Betrachten, auf das Wahrnehmen.

In besonderer Weise können Sie dies an den einfarbigen Arbeiten erleben. Die Spannungen zwischen den Eben werden subtiler, wirken jedoch nicht weniger intensiv. Die in mehreren Abstufungen von Weiß gehaltenen Werke erinnern an die Malerei Grau in Grau, die Grisaille. Künstler setzten diese Art der Malerei zuweilen ein, um plastische Werke nachzuahmen.

Wenn ein Hund dabei ist, werden die Menschen gleich menschlicher.
(Hubert Ries, Violinspieler und Komponist) Und selbst wissenschaftliche Studien belegen die positiven Auswirkungen von Hunden auf Gesundheit und Wohlbefinden.

Die Arbeiten von Sonja Behrens können und wollen Hunde nicht ersetzen, gut für Herz und Geist sind sie dennoch!

Carina Berndt M.A.
(Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Von Menschen und Hunden“, Münster, 2008)