Dalia Klippenstein: Es glänzt so schön…

Was glänzt, so sagt man, „sticht“ oder „springt“ ins Auge, es „erregt“ unsere Aufmerksamkeit. Mit dieser Qualität forciert Sonja Behrens die Faszination für das Perfekt-Neue, vermeintlich Edle oder Erhabene. Darüber hinaus schafft der Glanz in den Arbeiten der Künstlerin noch eine weitere Bedeutungsebene, verweist er doch auf die ausgeklügelte Choreographie, die die Hochglanzmagazine sich längst zu Eigen gemacht haben. Die perfekte polygraphische Qualität dieser Magazine, das strahlende Erscheinen der Stars, sowie die mannigfaltigen Formen der darin sichtbar werdenden Selbstdarstellung sind eine Inspirationsquelle für Behrens. So überrascht die Künstlerin mit einem Wechselspiel von Motiv, Bildästhetik und Maltechnik. Einerseits widmet sie sich der alten Tradition der Hinterglasmalerei, wobei sie dieser Tradition treu bleibt und in einigen Serien darüber hinaus geht: Behrens malt sowohl auf als auch hinter Glas. Während die Farben des Hintergrundes und die Binnenfarben der Figuren die Rückseite der Glasplatte bedecken, sind die Konturen und Schraffuren des Motivs auf die Glasplatte aufgetragen.

Die Künstlerin beschäftigt sich mit den Ästhetiken der glamourösen Welt, sie bringt diejenige Existenzsphäre zur Sprache, die als Projektionsfläche des permanenten Begehrens und Begehrt-sein-Wollens gilt. Hier reflektiert sich die Kultur der Pop Art, auf die sich Behrens bewusst und kenntnisreich rückbesinnt, nicht nur im Hinblick auf die Thematik, sondern auch durch die Verwendung intensiver, leuchtender Farben. Sonja Behrens findet Geschmack an der affirmativen Haltung nicht nur zur Sensationslust der Pop Art, sondern auch zu den anderen Wirkmechanismen, durch welche die Betrachter erreicht werden. Sie baut einen interpretatorischen Spannungszustand auf, der sich durch bloße Anschauung nicht auflösen lässt. Dabei nimmt die Künstlerin gleichzeitig die unterschiedlichsten Rollen ein: sie mutiert von der traditionellen Kunstschaffenden zu einer scharfsinnigen Beobachterin, die historische, soziologische und kunstgeschichtliche Verknüpfungen entdeckt und in ihrer Kunst bearbeitet.

Ein Thema, das die Künstlerin über einen längeren Zeitraum begleitet, ist die Prominenz und ihre Hunde: Künstler und Hunde (seit 2007), first dogs (seit 2009), Frauen und Hunde (seit 2011), Männer und Hunde (seit 2011), Dogs in Vogue (seit 2013). Der Hund, als treuer Begleiter seines Herrn und Zeichen seiner persönlichen Einstellung zum Leben, wächst mit in diese Rolle hinein. Er unterstreicht Stand und Rang des Porträtierten, wird Statussymbol und Ausdruck einer sich manifestierenden Gefühlssymbiose von Mensch und Tier.“ (Erika Billeter, Hunde und ihre Maler, Benteli Verlags AG Bern 2005, S. 23). In dem angeführten Zitat wird eine ikonografische Neuerung in der Gattung des Porträts seit dem 16. Jh. beschrieben, die Behrens offensichtlich in der Prominenz- bzw. Modefotografie entdeckte. Motive aus der Kunstgeschichte, derer sich moderne Medien bedienen, haben mit der höfischen, christlichen sowie mythologischen Bildrhetorik vieles gemein. Der Hund erscheint nicht nur als Sinnbild der Treue, er betont die vorhandene oder erträumte Macht, die soziale Stellung der Porträtierten; es gehört zum „guten Ton“, dass sich die Damen mit ihren Lieblingen zeigen, der Hund schmückt das Ambiente und wird sehr oft zum Accessoire, das beinahe als gleichwertig mit dem neuen Modell einer Handtasche, einem Hut oder Schmuckstück angesehen wird. Seit 2007 malt die Künstlerin die leicht erkennbaren Vertreter der Prominenz in ihren gewählten, durchkalkulierten Posen: Hollywoodschauspieler, Popstars und Sternchen, Künstler, Politiker. Kennzeichnend für ihren Pinselstrich ist die ausdrucksvolle Herausartikulierung der Fellstruktur und Mimik von Vierbeinern. Im Gegensatz zur Präsenz der Hunde müssen die Schönen und Reichen der Glamourwelt eine überraschende Verunstaltung „erleben“: durch den lasierenden Farbauftrag bei der Gestaltung des Inkarnats geht die Schönheit der Abgebildeten verloren. Die Makellosigkeit der Menschen tritt zugunsten der Makellosigkeit der spiegelnden Hintergrundfläche – im wahrsten Sinne des Wortes – in den Hintergrund. Seit 2013 wendet sich die Künstlerin den abstrahierten Formen zu, wobei sie auf Konturen verzichtet und sich ausschließlich auf die Gestaltung der Figuren durch farbige Flächen konzentriert. Die Farben werden in diesen Arbeiten nicht nach natürlicher Logik aufgetragen, sondern nach ästhetischen Prinzipien, nach einem besonderen Gespür der Malerin. Der Blick des Betrachters wird durch Aufleuchten, Harmonie und Perfektionismus des Farbauftrags eingefangen, gekapert und erobert.

Die Themenbreite im Schaffen von Behrens ist groß: eine Serie von Fans unterschiedlicher Bands und Popsänger wie Marilyn Manson, den Sex Pistols oder Take That (2009), die die Künstlerin nach Fotovorlagen von James Mollison fertigte, zeigt sowohl eine faszinierende, schillernde Travestie der jungen Leute als auch die Aktualität des Identitätsverlustes, des Gruppendrucks, der Uniformität und der Erschaffung neuer Götter; Erased Banksy (2012) thematisiert sowohl das Phänomen des einzigartigen Graffitikünstlers als auch die „verletzte“, gewaltsam angegriffene Kunst. Brangelina love Banksy (2011) präsentiert den beinahe ritualisierten Erwerb der Banksy-Graffitis durcgh das Hollywood-Glamourpärchen Angelina Jolie und Brad Pitt, dem diese Aktion ein spöttisch-ironisches Flair verleiht, hat Banksy selbst sich doch öffentlich gegen abgehobene Privilegien des Kunstmarkts geäußert. Und dennoch fällt es schwer, sich dem Glanz der Prominenz und ihrer Scheinwelt zu entziehen – ebenso wie dem Glanz der Bilder von Sonja Behrens!

 

Dr. Dalia Klippenstein, 2016